Interview mit Angelika „Geli“ Bachmann-Hönlinger von der Natur- & Wildnisschule der Alpen, Teil 1

Vor 21 Jahren wurde die Wildnisschule der Alpen als eine der ersten Wildnisschulen in Europa gegründet. Seit dieser Zeit begleiten Geli und Ron Bachmann mit einem beherzten Team jährlich viele Menschen, Erwachsene als auch Kinder, auf dem Weg zu mehr Naturverbindung. LEBEN IN GEMEINSCHAFT, SURVIVAL FERTIGKEITEN, SPURENLESEN, ALTES KUNSTHANDWERK UND TIEFES WISSEN ÜBER DAS LEBEN LEHREN SIE IN IHREN WERTVOLLEN KURSEN UND AUSBILDUNGEN. Survival ist die Tür zum Leben MIT der Erde. Viele „Töchterschulen“ sind bereits aus dieser Linie entstanden. Wir trafen uns zu einem wirklich inspirierenden Online- Interview am 30. März 2021 mit Geli! – Hier geht es zum 1.Teil des Interviews:  Über die Anfänge der Wildnisschule der Alpen, Großvater Stalking Wolf, Naturverbindung und die ungewisse Zukunft…

Meeting 30. März 2021

TEIL 1 DES GESPRÄCHS

Die Linie – Ahnenlinie genannt- von der das Wissen das ihr lehrt kommt, stammt von Stalking Wolf, der dies an Tom Brown Jr. weitergab und der wiederum an Jon Young. Wer war „Stalking Wolf“ und was war seine Mission?

Die Geschichte der Wildnisschule beginnt mit der Lineage (Ahnenlinie), also schon weit vor Stalking Wolf, Tom Brown Jr. und Jon Young. Auch Ernie Rainbow (Ernest P. Rodriques, ein Apache und Yaqui Indigener, gestorben 1992), Freund, Mentor und Ältester für Ron und mich ist ein wichtiger Teil der Ahnenlinie der Wildnisschule.

WER WAR STALKING WOLF?

Tom Brown erzählt über Stalking Wolf, liebevoll GROßVATER genannt, folgendes: Er wuchs frei, außerhalb der Reservation in den Bergen von Nordmexiko – auf. Geboren in den 1890er Jahren während Kriegszeiten und großer Gewalt, war er Teil eines Stamms von Lipan Apachen, die sich nie aufgaben. Er wurde in den traditionellen Wegen seiner Leute unterrichtet und wurde zum Medizinmann und Scout (Scouts waren die unsichtbaren Wächter, Beschützer und Kundschafter ihres Stammes) ausgebildet. Als er zwanzig war, sandte ihn eine Vision weg von seinem Stamm und für die nächsten 63 Jahre wanderte er, suchte nach Lehrern und lernte die alten Wege „the old ways“ von vielen Nativen Völkern und jenen, die eng mit der Erde lebten. Stalking Wolf wanderte durch ganz Amerika (N+S) und folgte dem Ruf des Schöpfers (Gottes). Er hatte nie einen Job, fuhr nie ein Auto, zahlte keine Steuern noch partizipierte er in der modernen Gesellschaft. Als er 83 Jahre alt war traf er einen kleinen Jungen der Fossilien in einem Flussbett sammelte. Er erkannte diesen Jungen als jene Person, mit der er seine letzten Jahre verbringen würde und an den er all sein Wissen weitergab.  Dieser Junge war Tom Brown Jr. Tom wurde so zum Empfänger seines Wissens, das Stalking Wolf während seiner Reisen lernte und auch von der Essenz und dem Destillat eines Jahrhunderte alten Wissens der Apachen Kultur. Das sind die Lehren, die Tom an seiner Trackerschool (New Jersey, USA) lehrt und an Jon Young (8 Shields Institute, Kalifornien) als seinen ersten Schüler weitergab.

WAS WAR GROßVATERS MISSION? Ich möchte zuerst kurz über Vision und Mission generell sprechen. Wir haben eine Vision. Es sind dann verschiedenste Missionen, die uns helfen unsere Vision zu leben, an ihr dran zu bleiben und ins Tun zu kommen.

Tom Brown hat einmal die Vision von Großvater in einem Satz beschrieben. 

„GROßVATER WIDMETE SEIN LEBEN DER VISION DES SPIRITUELLEN WEGES OHNE DEM ÜBERGEPÄCK VON DOGMEN.“  Früher gab es das Wort spirituell gar nicht. Was Großvater mit einem spirituellen Weg ausdrücken wollte ist ein Weg voller Aufmerksamkeit. Warum fühle ich mich Großvaters Vision so verbunden?  Seine gelebte Vision bringt Gleichgewicht und Frieden und trägt die Absicht „EINE FAMILE“ zu sein in sich. Das deckt sich auch mit meiner eigenen persönlichen Vision. Meine Vision selbst würde ich wohl mit anderen Worten beschreiben, aber hinter ihr steht das gleiche Bestreben. Ein Teil dieser „Einen“ Familie zu gehören war auch die Vision von Ernie Rainbow.

Eine Visionärin ist für mich ein Mensch, der nicht nur eine Vision hat, sondern diese auch mit dem Zeitpunkt ihres Empfangens zu leben beginnt.  Für Großvater war kein anderes Leben möglich. Um seine Vision leben zu können hat er sich auf verschiedenste Missionen begeben! Eine davon war das Wissen, die Erfahrungen und Lehren des alten Weges zu sammeln,  zusammen zu tragen und in die Reinheit der Wildnis zu bringen, um alle Dogmen und Beiwerke abzustreifen. Eine weitere Mission von Großvater war dieses Bündel  an altem Wissen und Lehren, diese Essenz und dieses Destillat an 2 Jungen weiterzugeben, damit diese Dinge nicht verloren gehen.

Wie seid ihr in Kontakt mit dem Wissen von Stalking Wolf gekommen?

Ron bekam das erste Buch das Tom Brown Jr. geschrieben hat „The Tracker“ geschenkt und so kamen wir erstmals in Kontakt mit Großvaters Lehren.

 

Wie kam es, dass ihr beide diesen Weg der Gründung einer Wildnisschule gehen wolltet? Gab es da einen Schlüsselmoment, diese Vision Realität werden zu lassen?

Es gab mehrere Schlüsselmomente. Erster Schlüsselmoment war das eben genannte Buch. Der zweite war, dass wir beide Inhalte darin fanden, wo wir spürten, dass sie wahr sind und gleichzeitig war das alles aber so unvorstellbar. Bei mir war es die Geschichte des Rehs und dass sich jeder Mensch so anschleichen kann an ein Reh, um eines berühren zu können. Diese Zeilen im Buch ließen mich nicht mehr los. Der nächste Schlüsselmoment war unser Entschluss: „Diesen Tom Brown müssen wir kennenlernen!“ Ron ging dann bald in die USA und machte den ersten Kurs und als er zurückkam war es klar –  wir werden eine Schule gründen. Und das haben wir dann einfach gemacht.

 

Warum ist Naturverbindung eigentlich wichtig? Was würdest du Menschen, die noch nie mit diesem Wissen in Berührung waren hierzu erzählen?

Beginnen wir mit dem Wort „VERBINDUNG“. Das heißt generell für mich „IN BEZIEHUNG GEHEN“. Unsere Beziehungen gestalten und formen unser Leben. Verbindung ist ein Beziehungsgeflecht aus verschiedenen Verbindungssträngen. 

– Verbindung zur Natur,

– Verbindung zu uns selbst,

– Verbindung zu anderen Menschen, Familie, Freunde, Gemeinschaften (…),

– Verbindung zu Ahnen und zukünftigen Generationen,

– Verbindung zu all dem was nicht physisch ist sondern Geist oder Energie

– Verbindung zum großen Ganzen

Unter diesen Verbindungssträngen gibt es keine Wertigkeit. Keine ist wichtiger als die andere. Sie stehen gleichzeitig für sich, aber natürlich sind sie alle miteinander verbunden. Bei den meisten von uns Menschen sind alle oder einzelne diese Stränge gestört oder gar nicht vorhanden. Wir möchten jene pflegen, hüten und stärken die schon da sind und jene die nicht mehr da sind wieder zum Leben erwecken. 

Auf unserem Weg raus aus dem Survival (…hier ist nicht nur eine klassische Survivalsituation gemeint, sondern viel mehr die ganzen Survivalsituationen die unseren Alltag füllen….) und rein ins Leben, geben wir an unserer Schule unser Bestes um diese verschiedenen Verbindungsstränge in ein harmonisches Gleichgewicht zu bringen.  DIESES GLEICHGEWICHT BRINGT WERTSCHÄTZUNG FÜRS LEBEN, EINHEIT, FRIEDEN UND HEILUNG.

In unserer Schule geht es um alle Verbindungsstränge gleichermaßen, dennoch ist äußerlich der Fokus auf die Naturverbindung gerichtet. Warum machen wir das so?

Die Verbindung zur Natur als erstes aufzuwecken oder zu stärken ist ein sinnvoller und wenn gar nicht vorhanden, notwendiger Anfang um überhaupt erst einmal zu spüren, was Verbindung überhaupt ist und wie sie sich anfühlt! Wir sind selbst ein Stück Natur, die Landschaft in die wir geboren sind ist unser Zuhause. Stellen wir uns selbst nun als einen Lebensbaum vor, den ich auch gerne als Baum des Friedens bezeichne. Wir haben tiefe Wurzeln in unser Zuhause, in die Erde, zu unserer Mutter, heißt, in unsere „physische Natur“. Die Äste der Baumkrone ragen wie Wurzeln in den Himmel. Dort verbinden und verwurzeln wir uns mit dem Vater, unserer „geistige Natur“.

Wenn ich von Naturverbindung spreche, dann geht es um diese beiden Elemente. Der 1) Physis – dem Körper – durch und in dem sich 2) „Geist/ Spirit“ bewegt.

Meine Erfahrungen und Beobachtungen haben mir gezeigt, dass es nicht einfach ist Verbindung herzustellen oder zu stärken wenn man eine solche noch gar nicht erlebt hat und gar nicht weiß wie sich Verbindung anfühlt. Und es hat sich gezeigt, dass Naturverbindung der effektivste und schnellste Weg ist, um zu erkennen und zu spüren was Verbindung ist.

Ich habe mir oft die Frage gestellt, wieso es sich als so einfach erweist sich mit der Natur zu verbinden. Mein persönliches Resüme dazu ist: Die meisten von uns wurden von der Natur nie verletzt, außer vielleicht jene, die eine traumatische Situation in der Natur erlebt haben. Das wäre ein anderes Kapitel. Ganz anders schaut es da mit der Verbindung zu einem Selbst und zu anderen Menschen aus. Wie oft haben wir uns schon selbst verletzt und wurden von anderen verletzt? Ein Blick auf diese anderen Verbindungsstränge zeigt schnell, wir alle verletzen andere oder werden verletzt, bewusst oder unbewusst und so ist für viele dieses tiefe Einlassen und in Verbindung gehen mit sich selbst oder anderen Menschen erstmals weit entfernt, weil es da so viele Wunden und Schmerz gibt. Sich mit der Natur zu verbinden klappt hingegen meist unmittelbar und auf einer tiefen Ebene. Sehr schnell spüre ich wie sich Verbindung anfühlt. Ich lasse mich auf diese Verbindung voll und ganz ein. Die Natur hat mich ja nie verletzt, mir keine Wunden und keinen Schmerz zugefügt. Ich ihr vielleicht schon, aber auch das löst sich so schnell auf, weil die Natur unmittelbar verzeiht sobald wir uns mit ihr verbinden. Sie urteilt nicht über uns. Unsere Kultur, Alter, Hautfarbe, Geschlecht,….sind ihr egal. Spüren wir einmal eine so tiefe Verbindung und wie sie sich anfühlt wenden wir uns auf natürliche Art und Weise auch den anderen Verbindungssträngen zu beziehungsweise werden wie magnetisch davon angezogen uns auch auf so eine tiefe Art und Weise in Verbindung mit uns selbst zu gehen, mit anderen Menschen mit den Ahnen und all dem was Verbindung ausmacht.

Wie nutzt ihr momentan die Zeit? Kurse sind im Moment so nicht durchführbar, wie sehen eure „neuen Wege“ aus?

Wir tun unser Bestes diese Zeit ohne Kurse zu genießen, und uns keine Sorge mehr darüber zu machen, dass für jemanden die Zeit abläuft, der in irgendeiner Form unsere Kurse dringend gebraucht hätte. ALLES IST GUT! Wir schauen drauf uns zu entspannen und den Moment zu leben. Dieses Leben im Hier und Jetzt hilft uns die ganze Situation die der Corona so mit sich bringt zu umarmen und mit ihr in Frieden zu sein, die Zeit zu genießen, flexibel zu bleiben und nicht mit Verwundungen aus dieser ganzen Sache herauszugehen sondern gewachsen zu sein.

Ansonsten beschäftige ich mich mit verschiedensten Dingen, auch mit „neuen Wegen“. Obwohl der neue Weg auch manchmal der bewährte Alte bleiben darf.

Seid ihr in engem Austausch mit Jon Young und Tom Brown?

Ich bin fast jedes Jahr an der Trackerschool in den Pine Barrens, außer als unsere Kinder zu klein waren und ich da nicht reisen mochte. Seit Corona geht es halt nicht mehr und ich nutze verstärkt sein Online Angebot. Tom gibt sein Wissen und seine Erfahrungen als so spannende Bündel weiter und ich bin eine leidenschaftliche Studentin. Außerdem geht es mir auch darum, dass ich mit meinen „Mutterschulen“, wie ich sie bezeichne, in Verbindung bleibe und sie unterstütze. Da gehört die Trackerschool von Tom Brown mit dazu, Jon Young und sein Institut, andere und die Nativen Kulturen wo diese ganzen Sachen ja letztendlich herkommen. Ich gehe also auch zu Kursen, um meiner „Mutter“ (also der Lineage) auch etwas zurückzugeben. Ich bleibe im Kontakt mit ihnen und will wissen wie es ihren Visionen geht und wie sich diese entwickeln. Ich stelle mir also immer wieder die Frage: Wie kann ich unterstützen, was kann ich zurückgeben? Und da bin ich dann kreativ, sei es mit direkten oder indirekten Spenden, Kursbesuchen, Zusammenarbeit (…).

In Teil 2 des Gesprächs erzählt Geli über Älteste, Stolpersteine beim Gemeinschaftsaufbau, Zeremonien, utopische Ideen für die Welt und wie wir alle im „positive mind“ bleiben können!

>>>>> Mehr hierzu nächste Woche!

DATEN FÜR GEPLANTEN KURSE – Infos unter www.wildniszentrum.at

Juli
• 11.07.- 17.07.2021 Grundkurs – “Ruf der Wildnis 1″
• 18.07.- 24.07.2021 Fortgeschrittenenkurs – “Ruf der Wildnis 2″

September
• 09.09.- 12.09.2021 „ZEN“ TAGE mit der TEACHING DRUM OUTDOOR SCHULE aus Wisconsin Tamarack Song auf Besuch bei der Natur- & Wildnisschule der Alpen
• 24.09.- 26.09.2021 Ledergerben – “Das Geschenk der Vierbeiner”

MUTTERSCHULEN:

Hier geht es zu ihren „Mutterschulen“ von Tom Brown Jr.: https://www.trackerschool.com

…und Jon Young: http://8shields.org